Die liebe zum Choro
Ein Interview mit Beate Kittsteiner von Marcus A. Woelfle
Die Münchener Multiinstrumentalistin Beate Kittsteiner – ihr Hauptinstrument ist die Flöte – gehört zun den vielseitigsten Musikerinnen der deutschen Jazz-Szene. Sie ist eine originelle Komponistin und Improvisationskünstlerin fließender melodischer Linien, deren klassische Ausbildung, jazzige Neugier und tiefes Verständnis unterschiedlichster Tonsprache geführt haben. Auf „Guajira For My Moods“ und „Pentalud“, den Alben ihres International Jazz Quintetts, spielen auch lateinamerikanische Musikformen eine große Rolle.
Mir ihrer neuen Formation „Tocando“ widmet sie sich nun ganz dem Choro. Darüber unterhielt sich die Künstlerin mit Marcus A. Woelfle.
M. A. Woelfle: Der Choro entstand, als Brasilianer begannen europäische Modetänze wie Walzer, Polka und Schottisch zu braslianisieren. Nun kommst Du als Europäerin auf den Choro zurück.
Wie bist Du als Deutsche auf den Choro gestoßen, eine Musikform, die vor 100 Jahren in Brasilien populär war und selbst dort wohl ziemlich in Vergessenheit geraten ist?
Beate Kittsteiner: Im Jahr 1980 hörte ich in einem New Yorker Jazzclub den Flötisten Lloyd McNeill, der dort den ersten Choro gespielt hat, den ich je in meinem Leben gehört habe. Das war der Auslöser für eine intensive Beschäftigung, die meine Begeisterung für den Choro wachsen ließ. Mein Verständnis für brasilianische Musik und deren Interpretation vertiefte sich durch eine über zehnjährige Zusammenarbeit mit der Grupo Veneno Brasil. Borel de Sousa, der Perkussionist dieser Band spielte übrigens dann auch in meinen Jazz-Bands und jetzt in meiner Choro Gruppe.
Ich glaube, dass Viele heute nicht mehr wissen, was Choro ist. Er entstand um 1870 in Rio De Janeiro, einem Schmelztiegel der Kulturen. Hier lebten Einwanderer aus allen möglichen europäischen Ländern, die von ihrer Heimat ihre musikalischen Traditionen und Tänze mitgebracht hatten.
Dazu kamen Einflüsse der inzwischen freien schwazen Sklaven. In der Vermischung musikalischer Elemente entstanden die typischen synkopierten rhythmischen Figuren und die fast europäisch anmutenden Harmonien. Die so entstandene Musik ist filigraner und sanfter als der Samba, die später den Choro in der Publikumsgunst verdrängte und heute international beannter ist.
M. A. Woelfle: Choro wird in seiner Bedeutung für die spätere brasilianische Musik oft mit Ragtime und seiner Bedeutung für den Jazz verglichen. Der ältere Choro steht noch der klassischen Musik näher, der spätere dem Jazz.
Worin besteht der Reiz des Choros für eine Jazzmusikerin wie Dich?
Beate Kittsteiner: Bei vielen heute aktuellen Musikformen findet eine Reduktion auf wenige Elemente statt. Melodie spielt dabei schaon kaum mehr eine Rolle. Choro aber besticht durch seine wunderbaren weitgeschwungenen Melodiebögen und überraschenden Harmoniewechseln. Außerdem kann ich bei dem Rhythmus nicht stillsitzen.
M. A. Woelfle: Choro wird in seiner Beseutung für die spätere brasilianische Musik oft mit Ragtime und seiner Bedeutung für den Jazz verglichen. Der ältere Choro steht noch der klassischen Musik näher, der spätere dem Jazz.
Worin besteht der Reiz des Choros für eine Jazzmusikerin wie Dich?
Beate Kittsteiner: Bei vielen heute aktuellen Musikformen findet eine Reduktion auf wenige Elemente Statt. Melodie spielt dabei schaon kaum mehr eine Rolle. Choro aber besticht durch seine wunderbaren weitgeschwungenen Melodiebögen und überraschenden Harmoniewechseln. Außerdem kann ich beim Rhythmus nicht stillsitzen.
M. A. Woelfle: Ja, er swingt, obwohl es kein Jazz ist. Ursprünglich wurde im Choro wenig improvisiert; später änderte sich das.
Wie sieht das bei dir aus?
Beate Kittsteiner: Der Reiz beim Choro ist, dass die Themen erst gespielt, dann variiert werden, was der Improvisation im Jazz nahe kommt.
Die Solisten wefen sich die Molodien gegenseitig zu und jeder versucht den anderen zu übertrumpfen, bis einer nicht mehr mitkommt. Viele der alten Choros haben ja auch Titel, die das Improvisationselement beinhalten, z.B. „Caíu, nao disse?“ (Habe ich nicht gesagt, dass er stürzen würde?) oder „Cuidado, colega“ (Vorsicht, Kumpel).
Bei meinen Improvisationen versuche ich den brasilianischen Charakter beizubehalten.